Sarabanden 2

das Experiment

Posted by Sven Oloff on ven., juil. 31, 2020
Tags cello

Der Beitrag Sarabanden betraf die Sarabanden der Violoncello-Solosuiten 1‑3 von Bach. Bei den Suiten 1‑3 umschließen zwei Suiten in einer dur-Tonart eine Suite in einer moll-Tonart. In dieser zweiten Runde der Sarabanden stelle ich meine Sicht auf die Sarabanden der Suiten 4‑6 vor. Auch hier umschließen zwei Suiten in einer dur-Tonart eine Suite in einer moll-Tonart. Die cellistischen Herausforderungen sind in dieser zweiten Gruppe von Suiten insgesamt größer, ebenso fordert die musikalische Komplexität den Zuhörer in höherem Maß. Die Suche nach neuen Ausdrucks- und Spielmöglichkeiten schließt bei den Kompositionen auch das Instrument selbst mit ein. Die 5. Suite in c‑moll ist für ein umgestimmtes Violoncello (Skordatur) gedacht, die 6. Suite für ein Violoncello mit einer zusätzlichen, höheren 5. Saite. Die Entdeckungsreise geht weiter…

Folge den kleinen Sekunden

Die Sarabande der 5. Suite in c‑moll hebt sich von allen anderen Sarabanden ab. Sie bewegt sich ganz in der einstimmigen Melodielinie, ohne einen einzigen notierten Akkord. Diese Sarabande gilt als eines der herausragenden Solostücke der gesamten Barockzeit. Doch bei aller „Bedeutungsschwere“ - mit wie viel Ernst muss sie gespielt werden?

Gewöhnlich markieren Akkorde oder Verzierungen den für eine Sarabande typischen, gewichtigen zweiten Schritt im Takt. Hier ist es die Spannung kleiner Sekunden. Mit dem kleinsten Intervallschritt werden fast alle zweiten Schritte im Takt hervorgehoben. Doch mehr noch: Folgt man den kleinen Sekunden, so zeigt sich mit ihrer Verteilung (häufigeres oder fehlendes Auftreten) die Dramaturgie des gesamten Stückes. Die folgende Grafik beschreibt Takt für Takt den Puls der ganzen Sarabande, dabei sind die kleinen Sekunden farblich hervorgehoben:

Sarabande 5 Puls

In der Interpretation des Stückes hat sich eine sehr langsame Spielweise durchgesetzt. Es scheint sogar, dass sich die Interpretationen zu einem Lamento-Wettbewerb verselbstständigt haben. Das rückt allerdings die Person des Interpreten stark in den Vordergrund. Dem Hörer bleibt damit weniger Freiheit für sein eigenes Empfinden beim Hören. Unabhängig von der Wahl des Tempos kann diese Sarabande sehr gut als sinnlicher Tanz gespielt werden.